21.10.2019

ƩYSTEMS INTEGRATION 2019: Mikrofluidik ist den Kinderschuhen erfolgreich entwachsen – jetzt geht es um Standardisierung, Systemintegration und Prozessoptimierung

Führende europäische Mikrofluidikexperten folgten der Einladung des IVAM Fachverband für Mikrotechnik zur ΣYSTEMS INTEGRATION 2019 und trafen sich in Großbritannien, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren.
Quelle: IVAM
21.10.2019
Mikrofluidik spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der Industrie und bei Anwendungen für das täglichen Leben: Die Produktion von Chemikalien in Mikroreaktoren ist effizienter, kontrollierbarer und nachhaltiger als in konventionellen Chemieanlagen. Mobile Diagnose- und Therapiegeräte sind ohne mikrofluidische Komponenten, die kleine Mengen an Flüssigkeiten verarbeiten, nicht möglich. Labs-on-a-Chip oder Organs-on-a-Chip sind aus modernen Laboratorien nicht mehr wegzudenken.
 
Damit dies funktioniert, müssen viele verschiedene Zusatzkomponenten vorhanden sein: (Mikro-)Pumpen, Sensoren, elektronische Hardware, Steuer- und Analysesoftware etc.  Verschiedene Materialien und Herstellungsverfahren sind weit entwickelt, z.B. Spritzgießen von Polymerwerkstoffen, Ätzen von Glas und Silizium oder mechanische Strukturierung von Metall. Es werden neuartige, hochpräzise Verbindungstechniken benötigt, um kleine Kanalsysteme zu erzeugen. Oberflächenmodifikationen sind notwendig, um die Komponenten hydrophil oder hydrophob, biokompatibel, glatt usw. zu machen. In all diesen Prozessschritten gibt es höchste Anforderungen an Toleranzen und Genauigkeiten.  
 
Bei der Veranstaltung "Systems Integration", trafen sich am 9. Oktober 2019 führende europäische Mikrofluidik-Experten beim Gastgeber Microsystems (UK) in England zum Thema "Microfluidics in Industry and Life". Microsystems ist einer der führenden Hersteller von mikrofluidischen Bauteilen im Spritzgussverfahren. Am Vortag traf sich die Fachgruppe Mikrofluidik des IVAM Fachverband für Mikrotechnik, um aktuelle Fragestellungen zu diskutieren. Das Meeting und die Konferenz zeigten die Bedeutung von Mikrofluidikprodukten für automatisierte Prozesse in Chemie, Biotechnologie und Medizin.
 
Standardisierung von Mikrofluidik und Optimierung der Produktionsverfahren
 
In den Keynotes von Henne van Heeren, EnablingMNT, und Dr. Peter Hewkin, Center for Business Innovation Ltd., wurde die wirtschaftliche Bedeutung der Mikrofluidik hervorgehoben. Neue Konzepte, Bauteile und Anwendungen werden hauptsächlich von KMU entwickelt, die in vielen Fällen von großen Unternehmen nach einigen Jahren übernommen werden. Standardisierung sei daher ein besonders wichtiger Aspekt, so van Heeren, um für mikrofluidische Anwendungen eine breitere Kunden- und Anwendungsbasis zu ermöglichen. Ganz besonders trifft dies auf standardisierte Mess- und Analyseverfahren zu.
 
Obwohl mikrofluidische Bauteile und Anlagen nun schon über 30 Jahre erfolgreich im Einsatz sind, gibt es kontinuierliche Verbesserungen in den Produktionsverfahren. Ausführlich berichteten die Vertreter des Gastgebers microsystems UK, Philip Tipler und João Ricardo Goncalves, über die Herstellung von Werkzeugen und den anschließenden Spritzguss von hochpräzisen mikrofluidischen Bauteilen aus Kunststoff. Die entsprechenden Anlagen wurden von den Gruppenteilnehmern am Vortag besichtigt. Ein weiteres häufig verwendetes Material ist Glas, welches wegen seiner besonderen chemischen Resistenz bei der Produktion von Chemikalien, aber wegen seiner Sterilisierbarkeit auch für medizinische und biotechnologische Anwendungen Einsatz findet, wie im Vortrag von Dr. Elfi Töpfer von microfluidic ChipShop berichtet wurde. Gerade bei der industriellen Produktion von großen Stückzahlen spielt die Automatisierung eine große Rolle. Entsprechende Konzepte stellte Julian Tarrat von PCE Automation vor.
 
Pulsationsfreie Mikropumpen ermöglichen den hochpräzisen Transport von Flüssigkeiten
 
Mikrofluidik lebt vom hochpräzisen Transport von Flüssigkeiten. Es verwundert deshalb nicht, dass eine Reihe von Vorträgen sich mit dem Thema „Pumpen“ beschäftigte. Dabei wurden von Dr. Carsten Damerau, HNP Mikrosysteme GmbH, hochgenaue, pulsationsfreie Zahnringpumpen für große Durchflüsse (einige L/min) aber auch sehr kleine Durchflüsse (nl/min) vorgestellt. John Watson vom Start-up TTPventus erläuterte seine neu entwickelte Mikropumpe, die kleine Flüssigkeitsmengen exakt dosieren kann und dabei wegen ihres günstigen Herstellpreises als Einweg-Bauteil, z.B. in medizinischen Anwendungen, verwendet werden kann. Auch Nour Yakdi, Fluigent, betonte die Wichtigkeit von pulsationsfreien Pumpen, die mit anderen Komponenten wie Sensoren zusammenarbeiten müssen. Das Thema Pumpen wurde ebenso während des Treffens der IVAM-Fachgruppe Mikrofluidik am Vortrag diskutiert. Dabei wurde u.a. gemeinsam überlegt, ob eine Standardisierung, zumindest der Anschlüsse an Pumpen, sinnvoll sein könnte. Die entsprechenden Aktivitäten auf ISO-Ebene werden beobachtet.
 
Mikrofluidik für Diagnostik und therapeutische Anwendungen

Während der Konferenz wurden eine Reihe neuer Anwendungen aus Forschung und Industrie vorgestellt. Die Vorträge von Prof. Gavriilidis, University College London und Alexander Armitstead, Blacktrace, zeigten die gezielte Herstellung von Partikeln in sehr enger Größenverteilung, z.B. für therapeutische Anwendungen. Diese Herstellung ist inzwischen gut etabliert, was allerdings nicht selbstverständlich ist. In der Anfangszeit der Mikrofluidik wurde wegen der Verstopfungsgefahr immer davor gewarnt, Festkörper in Mikrokanälen zu transportieren. Die letzten beiden Vorträge von Lars Blohm, Campton Diagnostics, und Dr. Markus-Jürgen Sommer vom Fraunhofer IMM zeigten den Aufbau von Plattformen für diagnostische Anwendungen u.a. zur mobilen schnellen Detektion von Infektionskrankheiten.
 
Forschungsbedarf bei Systemintegration und Materialeigenschaften

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Mikrofluidik den Kinderschuhen entwachsen ist: Es gibt eine Reihe von etablierten Anwendungen in Chemie, Biotechnologie und Medizin. Trotzdem gibt es noch eine Reihe von offenen Fragen, die in gemeinsamen Entwicklungen zwischen Forschungsinstitutionen und Unternehmen gelöst werden müssen. Insbesondere in der Integration von Komponenten, wie Pumpen und Sensoren, aber auch in geeigneter Materialwahl und Optimierung von z.B. Oberflächeneigenschaften, gibt es noch Forschungsbedarf. Diesen Themen wird sich die IVAM Fachgruppe Mikrofluidik in den kommenden Sitzungen widmen.

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